Beitrag vom Freitag, 09. Juni 2017
Was der Vømmøl lehrt
„Herrlich“, dachte ich, als ich die Bilder vom Umzug des Vømmøl-Festivals im mittelnorwegischen Verdal sah. Allein schon der Name ist klasse. „Vømmøl“ – Hört sich für mich wie „beömmeln“ an, also sich über eine Sache herzhaft freuen.
Dabei kommt dieser lustige Begriff aus einer anderen Ecke. Er leitet sich von Vadmel ab. Dies wiederum ist ein grober, fester und billiger Stoff aus Wolle, der vor dem Krieg vor allem bei der ländlichen Bevölkerung beliebt war und zu Kleidung verarbeitet wurde.
Die Vømmøl-Bewegung nun hat ihren Ursprung in den Vømmøl-Liedern und Texten von Hans Rotmo. In ihnen beschrieb er in den 70er und 80er Jahren auf humorvolle und volksnahe Weise, die Probleme des Lebens auf dem Lande. Er verurteilte den Kapitalismus, der unter anderem zur Aufgabe kleiner Bauernhöfe führte, und verfolgte einen ökopolitischen Sozialismus, der sich auch gegen die Industrialisierung richtete. Nach und nach baute er zwei Universen auf, mit dem guten, alten, nicht schönen, aber widerstandsfähigen Vømmel auf der einen und dem Kapitalismus auf der anderen Seite, symbolisiert durch Porzellan, glänzend und zart, aber auch sehr zerbrechlich.
Das alles riecht nun etwas nach Blumen, Flower Power und Alt-68er. Und genau das kommt auch beim 1995 ins Leben gerufenen Vømmel-Festival zum Tragen. In alte Wollklamotten gekleidete Menschen ziehen zu irgendeinem thematischen Unsinn fröhlich und mit skurrilen Gefährten durch die Stadt. Es gibt Theaterveranstaltungen, die u.a. ins sagenhafte, rückschrittliche, aber irgendwie knuffige Vømmøltal entführen.
Doch Romantik hat auch ihren Preis, nämlich dann, wenn man zu verbittert an Althergebrachtem festhält und sich dem Neuen vehement verweigert. So in den letzten Jahren geschehen beim Vater der Bewegung Hans Rotmo. Seine Lieder, die zwar schon immer betont kultur-norwegisch, jedoch auch extrem links, teils auch antichristlich waren, schossen zunehmend über den Zenit hinaus und begaben sich auf die rechte Seite des Kreises. Richten sich gegen alles Fremde und Unbekannte, speziell gegen Einwanderer, die angeblich die norwegische (Bauern-) Kultur bedrohen und vernichten und sowieso erst dann Norweger sind, wenn sie in zweiter / dritter Generation norwegisch heiraten.
Insofern, Vømmøl ist kritisch und gut, Vømmøl ist lustig und skurril, doch zu viel Vømmøl kann den gesunden Verstand weichkochen. Die Festivalleitung selbst versicherte mir in einer Mail, dass die Veranstaltung um den lustigen, auch in ähnlicher Art in Schweden und West Afrika anzutreffenden Musikstil herumgebaut ist, man selbst sich jedoch aufs schärfste von Rotmos Haltungen und Äußerungen distanziert.
Vømmøl Spelemannslag – der Anfang des Vømmøl-Wesens:
Verfasst von Martin Schmidt
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