Beitrag vom Dienstag, 10. Dezember 2013
Tischler Andersen und der Weihnachtsmann
Eine der beliebtesten Weihnachtsgeschichten des Landes, von Alf Prøysen.
(Frei übersetzt vom Norwegen-Service.)
Es war einmal ein Vater, der hieß Tischler Andersen. Er hatte viele Kinder, wie andere Väter auch, und da es gerade Weihnachtsabend war, schlich er sich leise hinaus. Seine Kinder und Frau Tischler Andersen saßen unterdessen am Tisch und knackten Nüsse.
Er wollte zu seinem Holzschuppen, denn dort hing seine Weihnachtsmannverkleidung. Auf einem Schlitten lag ein großer Sack mit Weihnachtsgeschenken. Tischler Andersen zog seine Weihnachtsmannverkleidung an und zog den Schlitten mit dem Sack obendrauf auf den Hof hinaus. Doch war es an diesem Abend sehr glatt, weshalb Tischler Andersen der Länge nach hinfiel – direkt auf den Schlitten und den Sack. Da es in Richtung des Hofweges steil bergab ging, rutschen sie allesamt dorthin, der Sack, der Schlitten und Tischer Andersen. Genau neben dem Weg lief jedoch ein anderer Mann in Weihnachtsmannverkleidung und mit einem Schlitten.
„Weg da!“ rief Tischler Andersen und versuchte auszuweichen. Doch er hinter der Weihnachtsmannmaske fast nichts sehen konnte, stießen die beiden zusammen und landeten im Graben.
„`tschuldigung“, sagte Tischler Andersen.
„Gleichfalls `tschuldigung“, sagte der andere.
„Da haben wir ja beide das gleiche vor“, sagte Tischler Andersen. „Sie haben sich ja auch als Weihnachtsmann verkleidet“, sagte er, lachte und streckte seine Hand aus um sich vorzustellen.
„Tischler Andersen.“
„Weihnachtsmann“, sagte der andere und reichte ihm daraufhin seine Hand.
„He, he“, sagte Tischler Andersen, „du machst mir Spaß, aber es ist ja schließlich Weihnachtsabend und da hat man es gerne etwas lustig.“
„Genau“, sagte der andere. „Und wenn du willst, können wir es so machen: Ich gehe zu deinen Kindern und gebe ihnen die Geschenke, und du gehst zu meinen Kindern. Doch da musst du vorher diese alberne Weihnachtsmannverkleidung ausziehen.“
„Aber, als was soll ich mich denn dann verkleiden?“ sagte Tischler Andersen.
„Du brauchst dich nicht verkleiden, meine Kinder sehen den Weihnachtsmann das ganze Jahr lang, aber einen richtigen Tischler haben sie noch nie gesehen. Und jedes Jahr zu Weihnachten sage ich zu ihnen: Wenn ihr jetzt schön brav seid, so kommt Tischler Andersen am Weihnachtsabend zu euch, währenddessen ich meine Geschenke an die Menschenkinder verteile.
Doch ich hätte nie gedacht, dass wir uns wirklich mal treffen. Wollen wir nun tauschen, damit meine Kinder nicht den ganzen Weihnachtsabend lang allein sind?“
„Ja, das könne wir gerne tun“, sagte Tischler Andersen, „doch leider habe ich keine Geschenke für deine Kinder.“
„Geschenke?“ sagte der Weihnachtsmann. „Bist du denn kein Tischler?“
„Dooooch“, sagte Andersen.
„Dann kannst du doch einfach ein paar Bretter und Nägel mitnehmen. Und ein Messer wirst du ja sicher auch haben, oder?“
Doch, freilich hatte Tischler Andersen ein Messer, und genügend Bretter und Nägel lagen im Holzschuppen.
„Nun kannst du einfach meinen Fußspuren in den Wald folgen“, sagte der Weihnachtsmann. „Dann nehme ich den Schlitten und deinen Sack und klingel bei euch. Du wohnst doch in der zweiten Etage, oder?“
„Ja“, sagte Tischler Andersen.
Und so kam es, dass der Weihnachtsmann hinauf zum Haus des Tischlers und Tischler Andersen in den Wald ging. Er musste nicht sehr weit laufen, nur an zwei Tannen, einem Stein und einem Baumstumpf vorbei, hinter dem er schon drei kleine Zipfelmützen erblickte.
„Da kommt er, da kommt er.“ riefen die Wichtelkinder und liefen voraus zu einem vom Wind gefällten Baum, dessen Wurzeln in den Himmel ragten. Als Tischler Andersen diesen auch erreichte, stand dort auch die Frau des Weihnachtsmanns.
„Jetzt komm er, Mutter! Jetzt kommt Tischler Andersen! Schau nur. Ist er nicht groß?“
„Nun, nun, Kinder, man sollte meinen, ihr hab noch nie zuvor Menschen gesehen“, sagte die Frau Weihnachtsmann.
„Aber sie haben noch nie einen echten Tischler gesehen“, rief Andersen.
„Bitte, komm doch herein“, sagte Frau Weihnachtsmann und hob einen Zweig an. Andersen beugte seinen langen Rücken und kroch unter dem Zweig hindurch. Er kam in eine kleine Stube mit Steinboden, Baumstumpf-Stühlen und Moosbetten mit Decken aus Preiselbeer-Heide. Im kleinsten Bett lag ein kleines Kind und in der Ecke saß ein alter Wichtel und nickte mit dem Kopf.
„Hast du das Messer mit? Hast du Bretter und Nägel dabei?“ quengelten die Wichtelkinder und zerrten und zogen an Tischler Andersen.
„Immer mit der Ruhe. Andersen muss doch erstmal hereinkommen dürfen, bevor ihr anfangt herumzuquengeln.“ sagte Frau Weihnachtsmann.
„Setz dich, Andersen.“
„Sind hier fremde Wichtel?“ hörte man den alten Wichtel aus der Ecke rufen.
„Es ist Andersen! Der Tischler!“ rief Frau Weihnachtsmann in sein Ohr.
„Er ist so alt, der Großvater, er schafft es nicht mehr, vor die Türe gehen. Du solltest zu ihm hinüber laufen und ihn grüßen. Das freut ihn.“
Ja, da ging Andersen hinüber, begrüßte den alten Wichtel und nahm seine Hand. Es war, als ob er ein Stück Rinde angefasst hätte.
„Nun musst du dich aber endlich setzen, Tischler Andersen“, sagten die Kinder.
„Weißt du, was du mir machen musst?“ sagte das größte Wichtelkind und lachte mit einem Zahn. „Du musst mir einen Schlitten machen. Kannst du das? Einen kleinen Spielzeugschlitten?“
„Ja, da muss ich mal schau`n“, sagte Andersen zögernd. Doch es dauerte nicht lange, und der Schlitten war fertig.
„Jetzt bin ich dran“, sagte der mittelgroße Wichtel. Es war ein kleines Mädchen mit abstehenden Zöpfen.
„Was willst du denn haben?“, fragte Andersen.
„Ein Puppenbett“, sagte das Wichtelmädchen.
„Hast du denn eine Puppe?“ fragte Andersen.
„Nein, aber die Kinder der Waldmaus dürfen ab und zu zu mir kommen, und mit den Kindern der Eichhörnchen darf ich „Puppe spielen“ so oft ich will. Die finden das toll. Mach ein Puppenbett!“
Und so schnitzte Andersen ein Puppenbett.
„Was willst du denn haben?“ sagte er zu dem kleinsten Wichtel, der verlegen herum stand und drei Sommersprossen auf der Nase hatte.
„Weiß nicht“, flüsterte der Junge.
„Doch, natürlich weiß er es. Er redet von nichts anderem. Sag es nur!“, riefen die anderen Kinder.
„Einen Kreisel“, flüsterte der kleine Junge.
„Na, den sollst du bekommen!“ sagte Andersen und machte einen Kreisel.
„Jetzt musst du auch noch etwas für Mutter machen!“ quengelten die Kinder.
Frau Weihnachtsmann hatte die ganze Zeit dabei gestanden und etwas hinter ihren Rücken verborgen.
„Psst, Kinder!“ sagte Frau Weihnachtsmann.
„Sag nur, was ich machen soll“, sagte Andersen.
„Ja“, sagte die Frau und zeigte, was sie hinter ihrem Rücken verborgen hielt. Es war ein Kochlöffel. Aber der war so alt und zersplittert und hatte einen so großen Riss, dass man damit auf alle Fälle keine Suppe mehr essen konnte.
„Glaubst du, du kannst den hier in Schuss bringen?“
„Hm“, machte Andersen und kratzte sich mit dem Zimmermannsbleistift, den er immer hinter dem Ohr hatte. „Da mach ich dir wohl besser einen neuen Kochlöffel.“
Und so nahm er ein schönes Stück Wurzel, das er neben der Tür fand, und schnitzte einen neuen Kochlöffel für Frau Weihnachtsmann. Und als er damit fertig war, suchte er sich ein gerades Stück Wurzel mit einem Haken am oberen Ende. Er setzte sich und begann auch daran herumzuschnitzen. Die Kinder quengelten und fragten, was er denn da mache, aber Andersen sagte nichts. Als er fertig war, war aus der Wurzel ein schöner Stock geworden.
„Bitteschön Großvater“, rief Andersen und ging mit dem Stock hinüber zu dem alten Wichtel.
Danach sammelte er noch alle Holzreste zusammen und bastelte aus ihnen eine kleine Bachstelze, die er über das Bett des kleinsten Wichtels hang.
„Oh, was für eine Pracht!“ sagte Frau Weihnachtsmann.
„Ja, nun müssen wir und wirklich bei dir bedanken, Andersen. Sagt schön Danke, Kinder. Kommt her und dankt Tischler Andersen. Ja, diesen Weihnachtsabend werden wir nie vergessen.“
„Danke, Danke, Danke!“ riefen die Kinder. Und auch der alte Wichtel schlurfte mit seinem neuen Stock herüber und sagte: „Tausend Dank!“
Da hörte er etwas vor der Türe rascheln, und sagte:
„Danke gleichfalls und Frohes Neues Jahr!“
Tischler Andersen eilte hinaus. Dort stand schon der Weihnachtsmann mit dem Schlitten und dem leeren Gabensack.
„Danke für deine Hilfe, Andersen.“ sagte der Weihnachtsmann. „Was sagten die Kinder, als sie dich sahen?“
„Na, die haben sich gefreut. Und nun warten sie nur noch darauf, dass du heim kommst, denke ich. Wie war es denn bei dir? Hat sich mein Kleinster nicht vor dir erschrocken?“
„Ganz im Gegenteil“, sagte der Weihnachtsmann. „Er dachte, du wärst es. „Schaut, hab Papa gefangen“, sagte er die ganze Zeit.“
„Ja, nun sollte ich schnell nach Hause gehen.“ sagte Andersen. Er wünschte allen noch mal ein Frohes Fest und lief davon.
„Darf ich denn mal eure Geschenke sehen?“ fragte er die Kinder, als er die Stube betrat.
Aber da lachten die Kinder nur.
„Du hast die doch schon vorher gesehen. Als du Weihnachtsmann warst.“
„Nein, ich war bei den Wichtelkindern und habe für sie Geschenke geschnitzt“, sagte Andersen.
Aber dies glaubten ihm seine Kinder natürlich nicht. Ja, und so kam Andersen nach den Feiertagen zu mir und bat mich, diese Geschichte aufzuschreiben. Und das tat ich.
Verfasst von Martin Schmidt
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