Beitrag vom Donnerstag, 13. Dezember 2018
Norwegische Trolle
Das Wettessen
Auf einem Hof weit oben im Norden Europas lebte ein Bauer mit seiner Frau und seinen drei Söhnen. Der Bauer und seine Frau waren bereits sehr alt und betagt und es ging ihnen nicht gut.
Der Hof war verschuldet und auch die Vorratskammer nur kärglich gefüllt. Also rief eines Tages der Bauer seine Söhne zu sich und sprach: „Wir haben doch auf unserem Anwesen noch diesen schönen Wald unten am Fjord. Wir sollten die Bäume fällen und damit endlich unsere Schulden bezahlen und auch die Vorratskammer für den Winter könnten wir aus dem Erlös des Holzverkauf dann wieder ordentlich füllen.“
Doch seine Söhne waren nicht so fleißig wie der Bauer. Sie liebten eher das Nichtstun und lagen die meiste Zeit nur faul in der Sonne rum. So dauerte es einige Zeit, denn der Bauer musste seine Söhne immer wieder drängen, endlich einmal zu arbeiten, bis sich eines Tages doch noch der älteste Sohn dazu bequemte, hinunter an den Fjord zu gehen, um die ersten Bäume zu fällen.
Als dieser jedoch unten am Fjord den Wald ereichte, stand plötzlich zwischen den Bäumen ein großer Troll und sagte: „Das ist mein Wald, und wenn du nur einen einzigen Baum davon fällst, werde ich dich erschlagen!“
Als der älteste Sohn diese Worte vernahm, erschrak er fürchterlich, ließ seine Axt fallen und rannte voller Angst nach Hause. Völlig außer Atem kam er zu Hause an, wo ihn der Vater bereits erwartete. Als dieser hörte, dass sein Ältester vor einem Troll davon gerannt war, schalt er ihn einen Feigling und meinte, dass ihm so etwas früher nie passiert wäre.
Am nächsten Tag machte sich der zweite Sohn auf dem Weg um sein Glück zu versuchen. Aber auch ihm erging es nicht viel besser als seinem älteren Bruder. Denn kaum hatte er den ersten Axtschlag gegen eine alte Tanne getan, stand plötzlich wieder dieser übergroße Troll zwischen den Bäumen und sagte: „Das ist mein Wald, und wenn du auch nur einen einzigen Baum stehlen wirst, werde ich dich erschlagen!“
Als der Bauernbursche diese Worte vernahm, bekam er eine so große Angst, dass er sich noch nicht einmal getraute, den Troll anzusehen. Laut schreiend ließ er seine Axt fallend und ergriff die Flucht. Daheim hatte der Vater bereits auf ihn gewartet. Als er sah das auch sein zweiter Sohn unverrichteter Dinge nach Hause gekommen war, schalt er ihn einen Feigling, und meinte kopfschüttelnd, dass ihm in seiner Jugend so etwas nicht passiert wäre.
Am dritten Tag wollte Aschenper sein Glück versuchen. Er war der jüngste Sohn des Bauern und ein rechter Träumer. Meist saß er stundenlang am offenen Feuer und stak gedankenverloren mit einem Stück Holz in der Glut. So war es auch nicht verwunderlich, dass er mit der Zeit den Spitznamen Aschenper bekommen hatte, weil er ja immer in der Asche herum stocherte.
Doch bevor er sich auf den Weg machte, bat er seine Mutter noch um etwas Wegzehrung, während seine Brüder bereits laut über ihn lästerten: „Ach du kleiner Träumer, wieso denkst denn du, dass ausgerechnet dir das gelingt, was schon wir nicht geschafft haben? Du hast den Hof doch noch nie verlassen, geschweige denn einen Troll gesehen. Der wird dich schnell davon jagen, und wir werden dich rennen sehen wie einen Hasenfuß!“
Aber statt seinen Brüdern zu antworten, zog es Aschenper lieber vor zu schweigen und dachte sich seinen eigenen Teil.
Nachdem er seine Wegzehrung von seiner Mutter erhalten hatte, ein großes Stück Molkekäse, packte er diesen in seinen Rucksack aus Fell, schulterte ihn auf seinen Rücken und machte sich schließlich auf den Weg.
Es dauerte nicht lange und er hatte den Waldrand unten am Fjord erreicht. Kaum war er dort angekommen, legte er seinen Rucksack auf einen nahem Baumstumpf, packte seine Axt aus und begann mit der Arbeit.
Er hatte bereits die ersten Schläge an einem fast zwanzig Meter hohen Baum getan, als plötzlich auch schon wieder dieser übergroße Troll zwischen den Bäumen auftauchte und die gleichen Worte sagte, wie die Tage zuvor zu seinen beiden Brüdern: „Das ist mein Wald! Wenn du nur einen einzigen Baum daraus fällst, werde ich dich töten!“
Doch Aschenper war nicht auf den Mund gefallen und Angst hatte er auch keine. Er eilte zu seinem Rucksack, holte den Molkekäse heraus und drückte diesen, so stark er konnte, mit beiden Händen zusammen und das Wasser spritzte nur so heraus.
„Hast du gesehen wie stark ich bin? So wie ich diesen weißen Stein zusammendrücke, werde ich es auch mit dir tun, wenn du nicht sofort still bist!“
Da bekam der Troll einen gehörigen Schreck und bettelte: „Ach bitte verschone mich, ich werde dir dafür auch bei deiner Holzfällerarbeit helfen!“
„Also gut“, dachte sich Aschenper, „wenn er mir hilft, werde ich ihn verschonen.“ Die beiden legten sich darauf richtig ins Zeug und auch der Troll war recht fleißig und am Abend hatten sie fast zwei ganze Holzstapel sauber aufgereiht vor sich stehen.
Als die Sonne langsam rötlich unterging und der Wald bereits in einem immer dunkler werdenden Grau vor ihnen lag, und die Nacht immer näher kam, meinte der Troll: „Es ist Zeit zum Feierabend machen, lass uns zu mir gehen, denn mein Weg nach Hause ist bei weitem nicht so weit, wie dein Heimweg.“
„Also gut“, dachte sich Aschenper und ging mit dem Troll mit. Nach einiger Zeit erreichten sie die Höhle des Troll und dieser machte sich daran ein Lagerfeuer zu entfachen. Zur gleichen Zeit sollte der Bauernsohn Wasser für eine Weizengrütze holen. Doch die dafür vorgesehenen Eisenkessel waren so schwer, das der Junge sie unmöglich alleine hätte anheben können.
Also sagte Aschenper, schlitzohrig wie er war, zum Troll: „Hast du nur diese kleinen Töpfe zum Wassertransport? Damit lohnt es sich ja gar nicht Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen? Wie oft soll ich mit diesen kleinen Behälter denn dann zum Brunnen laufen? Am besten ist es, wenn ich gleich den ganzen Brunnen in die Höhle hole!“
Da bekam der Troll einen Schreck und antwortete eilig: „Nein, tu das nicht lieber Freund. Ich möchte den Brunnen doch noch behalten. Dann mach du lieber das Feuer und ich hole Wasser!“
Nachdem der Troll das Wasser geholt hatte, machten sich die Beiden eine wunderbare Weizengrütze. So gut und so viel das der Eisenkessel bis zum Rand gefüllt war.
Nachdem die Grütze fertig war, meinte Aschenper zum Troll:“ Was denkst du? Wollen wir nicht um die Wette essen?“
„Oh ja!“ sprach der Troll, den er war sich sicher, endlich einmal gegen den Bauernsohn gewinnen zu können.
Also setzten sich Aschenper und der Troll an den Tisch und der Troll begann die Teller zu füllen, während Aschenper heimlich seinen mit Fell bezogenen Rucksack zu sich holte und ihn vor seinen Bauch band. Beim Essen aber schüttete der Junge den Großteil der Weizengrütze immer Löffelweise in den Rucksack und nur ab und zu in seinen Mund.
Nachdem der Rucksack voll mit herrlicher Grütze war, nahm der Junge ein Messer und schnitt ein Loch in seinen aus Fell bestehenden Rucksack. Der Troll beobachtete den Bauernsohn bei seinem Tun ohne jedoch dazu etwas zu sagen und löffelte weiter still seine Grütze in sich hinein.
Nach einiger Zeit gab der Troll einen lauten Rülpser von sich, legte seinen Löffel zur Seite und meinte schwer schnaufend: „Jetzt bin ich aber voll bis obenhin, satt bis zum Überdruss, ich kann wirklich nicht mehr essen!“
„Das ist schon alles?“ entgegnete der Junge. „Ich bin ja noch nicht einmal halb satt. Am besten du machst es wie ich! Schau nur, du schneitest dir einfach ein Loch in den Bauch, und schon kannst du weiter essen, und zwar soviel wie du möchtest!“
Doch der Troll zögerte und fragte zweifelnd den Jungen: „Tut das denn nicht grässlich weh? So ein Loch mitten im Bauch?“
„Ach was, es ist überhaupt nicht der Rede wert!“ gab Aschenper zur Antwort. Da nahm der Troll ein Messer vom Tisch und schnitt sich damit seinen Bauch auf.
Kaum hatte er dies getan, musste er qualvoll sterben. Denn welches vernünftige Wesen schneitet sich schon den Bauch freiwillig auf? Als der Troll tot war, nahm Aschenper all das ganze Gold und Silber, das der Troll in all den Jahren in seiner Höhle angehäuft hatte und begab sich auf den Weg nach Hause.
Dort war das Staunen seiner Brüder groß und seine Eltern freuten sich, ihren jüngsten Sohn wieder wohl behalten bei sich zu haben, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute glücklich und zufrieden irgendwo an einem nordischen Fjord, denn Not mussten sie jetzt nicht mehr leiden!
Verfasst von Martin Schmidt
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