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Beitrag vom Montag, 01. November 2021

Geht wirklich ein Schrei um die Welt? – Wahrnehmung des neuen Munch-Museums

Nun ist es ein paar Tage her, dass das neue Munch-Museum in Oslo eingeweiht wurde. Ein wahrhaft monumentaler und beeindruckender Bau, der jedoch optisch auf den ersten Blick nicht ganz so geschmeidig daher kommt wie zum Beispiel die benachbarte Oper. In Norwegen stößt dies auf viel Kritik. So ist von einer „Narbe im Gesicht Oslos“ zu lesen, wie es der nrk formulierte. Die Zeitung Dag og Tid meinte sogar, das Haus sei ein „schlechte Idee, die an einem schlechten Tag entstand, ausgeführt von einem schlechten Büro“. Lob war nur selten wahrnehmbar. Doch wie ist nun international die Wahrnehmung des neuen Hauses? Hat man sich dort vom norwegischen Zweck-Pessimismus anstecken lassen? Blicken wir zunächst nach Deutschland.

In Deutschland war die Einweihung Thema in allen großen Medien. Eine wirklich eigene Meinung haben sich jedoch nur wenige gebildet. Meist wurde ein offizieller dpa-Text vervielfältigt. In diesem kam zum Ausdruck, dass man unglaublich stolz darauf ist, dass mit Jens Richter ein aus Kassel stammender Architekt am Entwurf mit beteiligt war. Das Gebäude wurde gelobt, eine kritische Auseinandersetzung mit der inneren und äußeren Gestaltung fand jedoch kaum statt. Stein Olav Henrichsen, der Direktor des Museumsneubaus, kam häufig zu Wort, ebenso wie Jens Richter selbst.

Im Nachbarland Schweden reagierte man zunächst irgendwie typisch. Zuerst kam der in Norwegen schon bekannte erhobene Zeigefinger: „Na, das wurde aber auch langsam mal Zeit, dass Munch einen ordentlichen Bau erhält.“, war zu hören und zu lesen. Na dem kleinen, obligatorischen Seitenhieb erfolgte in den Kulturmedien jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gebäude. Vor allem war zu lesen, dass Munch nun in einen wahrlich repräsentativen Bau zu sehen ist. Kritik an der Wahl des Baumaterials wurde geübt, aber es überwog eindeutig die positive Rezeption.

In Dänemark wurde vor allem erstmal die Kritik aus Norwegen wahrgenommen. Über diese war man meist etwas erstaunt, denn das Munch Museum ist nun mal ein moderner Bau und moderne Architektur hat genau diese Gestalt. Punkt. Aus. Hygge. Und Zeit, endlich mal Oslo wieder einen Besuch abzustatten und die Stadt neu zu entdecken.

In Spanien, wo das ausführende Architekturbüro estudio Herreros seinen Sitz hat, wurden vor allem die Qualitäten des Hauses in den Vordergrund gestellt und in Verbindung mit der skandinavischen Kultur und Lebensweise gebracht. Auf den Gedanken, das Gebäude zu kritisieren, kam man hier gar nicht erst.

Neben den gnadenlosen Urteilen aus Norwegen wurde der Bau eigentlich nur vom englischen Guardian so richtig „zerrissen“. Von einem „kalten, seelenlosen Hochhaus“ mit einem Foyer wie am Flughafen war da die Rede.

Abgesehen von der Wertung des Guardian wird das Gebäude international also durchaus positiv gesehen. Ja, es gibt Kritikpunkte, wie bei eigentlich jedem Gebäude. Doch um mal das Beispiel der Lobby zu nehmen. Man kann hier von einer Ausgestaltung wie am Flughafen sprechen, doch ist darin nichts Verwerfliches zu sehen. Flughäfen sind Orte für Reisende, für neugierige Menschen, die die Welt kennenlernen wollen. Um um es mit Henrichsen zu sagen: „Es gibt auch sehr schöne Flughäfen. Oslo-Gardermoen ist ein solcher.“ Der österreichische Standard sprach übrigens von einer Piazza. Ein Vergleich der, wie ich finde, auch sehr gut passt, denn das Munch Museum ist ein offenes Gebäude. Eintritt muss nur zahlen, wer die Ausstellung sehen möchte. Das Foyer und die Aussichtsplattform im 13. Stock sind für alle kostenlos zugänglich.

In jedem Fall sorgt das Museum, wie auch Munchs Kunst, für reichlich Diskussionsstoff. Und genau soll es ja sein.

Mich persönlich begeistert das Gebäude mittlerweile, nachdem auch ich am Anfang skeptisch war. Es leuchtet im Dunkeln, Dank der durchlöcherten Aluminium-Fassade, und erstrahlt je nach Tageslicht in ganz unterschiedlichen Farbtönen. Ein Haus, das wie die menschliche Seele auch mal düster, mit geknicktem Haupt, mal fröhlich, tänzerisch erscheinen kann.

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