Beitrag vom Dienstag, 24. Juni 2014
Faszination Hammerfest
Im Jahre 2004 war es. Wir fuhren gerade über eine jener endlosen Hochebenen im Norden Norwegens. Da kam die Idee auf, noch einen Abstecher nach Hammerfest einzubauen. Zuerst war ich nicht wirklich begeistert. Das Wetter gab sich grau und regnerisch und von der Weggabelung in Skaidi waren es immerhin noch 55 km Wegstrecke. Als dann noch die Landschaft immer kahler und baumloser wurde und schließlich auch noch die letzten Häuser verschwanden, zweifelte ich immer mehr an dem Vorhaben. Am Ende des Weges jedoch die Überraschung. Es empfing uns ein quirliges, kleines, im Sonnenlicht des zur Neige gehenden Tages badendes Städtchen mit äußerst angenehmer Atmosphäre. Als wir dann noch über den bekannten Zick-Zack-Weg den Aussichtsberg erklommen und den Panoramablick genossen, war ich endgültig von Hammerfest begeistert.
Beim Blick vom Berg versteht man gut, woher die Stadt ihren Namen hat, der übersetzt soviel wie „Ort mit großen Steinen zum Vertäuen von Booten“ bedeutet. Das geschwungene Rund der Meeresbucht ist in der Tat ein perfekter natürlicher Hafen. Dieser wird schon seit Jahrhunderten angelaufen, wobei Hammerfest noch im 17. Jahrhundert eine unscheinbare Siedlung mit nur 64 Bewohnern (31 Norweger und 33 Samen) war. Erst 1684 erbauten diese eine Kirche und ein Pfarrer zog zu.
Nachdem 1764 endlich das Handelsrecht gelockert wurde, mussten die Fischprodukte der Region nicht mehr über das 2000 Kilometer weiter südlich gelegene Bergen verkauft, sondern konnten direkt angeboten werden. Dies war die Geburtsstunde des Pomorhandels mit Russland.
Am 17. Juli 1789 erhielt Hammerfest das volle Handelsrecht und damit den Stadtstatus.
Zwischen 1800 und 1814 wurde Hammerfest in die Napoleonischen Kriege gezogen und oft von englischen Schiffen blockiert, was zu Hungersnöten und Plünderungen führte.
Nach 1814 kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Es ließen sich hier viele Händler nieder und 1838 legte das erste Dampfschiff an. Danach wurde Hammerfest regelmäßig mit Post versorgt.
Zwischen 1815 und 1852 wurde die Erde neu vermessen. Es sollte herausgefunden werden, ob diese an den Polen abgeflacht ist. Die Arbeiten wurden 1852 in Hammerfest abgeschlossen, wovon noch heute die Meridiansäule zeugt. 1891 erhielt der Ort die erste elektrische Straßenbeleuchtung Europas.
Die wohl finsterste Zeit in der Geschichte der Stadt bahnte sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges an, als Hammerfest im Zuge der Taktik der Verbrannten Erde nahezu komplett dem Erdboden gleich gemacht wurde. Hunderte, teils stattliche Holzhäuser gingen in Flammen auf, allein die Grabkapelle wurde verschont. Diese stammt aus dem Jahr 1939 und ist heute der Stadt ältestes Haus.
Der Wiederaufbau geschah nach dem üblichen Schema: schnell und zweckmäßig. Wirtschaftlich lebte größtenteils vom Fischfang und versuchte sich ein wenig in Sachen Tourismus. Hammerfest wurde zur „Nördlichsten Stadt der Welt“ erkoren, obgleich manche Siedlung in Alaska noch nördlicher liegt. Zudem gründete man den Eisbärenclub und nahm den weißen Meister Petz ins Stadtwappen auf. Allein, die einzigen Bären weit und breit sind jene beiden Exemplare im Zentrum, und die sind aus Metall… Aber es hört sich eben gut an, wenn man als subpolare Stadt mit Eisbären wirbt.
Besucht man nun Hammerfest dieser Tage, so fällt auf, wie unglaublich dynamisch die Stadt ist. Überall wird gebaut, Wohnhäuser, Hotels, Büros und auch ein neues Kulturhaus. Das war weiß Gott nicht immer so. Lange Zeit war Hammerfest, wie nahezu alle Orte im Norden, stark von Abwanderung betroffen. Als die Einwohnerzahl in den 1990er Jahren die 8000er-Marke unterschritt, schien es nur noch eine Frage der Zeit, dass die Stadt zum Dorf schrumpfen würde. Doch dann kam das Öl, oder vielmehr das Erdgas. Mit verbesserten Technologien war es möglich geworden, die Ressourcen im Nordatlantik auszubeuten. Das Projekt „Schneewittchen“ (snøhvit) wurde aus der Taufe gehoben und nach Jahren der Planung 2007 in Gestalt eines riesigen Erdgasterminals auf der Insel Melkøya umgesetzt. Es ist die größte Industrieanlage Nord-Norwegens und der neue wirtschaftliche Motor in der Gemeinde. Hammerfest blüht auf und hat nun erstmals über 10.000 Einwohner.
Bei einem Besuch in der Stadt wird man die Folgen des Aufschwungs gut sehen können und merken, dass Ölgelder, richtig eingesetzt, durchaus ein Segen sind. Eine Sache allerdings können auch diese nicht ändern: Das Wetter. Im Hammerfest bläst es nahezu ohne Unterlass und die Sommertemperaturen könnten mit durchschnittlich 10 bis 13 Grad durchaus üppiger ausfallen. Dafür wird die Stadt im Winter vom Nordlicht und zwischen Mai und Juli von der Mitternachtssonne verwöhnt.
Übrigens, wer keine Zeit hat nach Hammerfest zu reisen, kann dies auch virtuell tun, und zwar auf dieser überragenden Live-Panorama-Web-Cam. Kamera 1 zeigt den Blick vom Hausberg. Die Kamera ist manuell über die Maus schwenkbar und kann über den Button oben rechts auf Bildschirmgröße erweitert werden (verlassen des Bildschirm-Modus über die Taste Esc)
Ebenfalls sehenswert dieser Werbefilm über die Stadt:
Verfasst von Martin Schmidt
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