Beitrag vom Donnerstag, 03. Mai 2018
Die Zeit der Russ
Überall in Norwegen begegnet man ihnen in diesen Tagen, den rot, zuweilen auch blau, schwarz oder grün, gekleideten Jugendlichen. Es ist die Zeit der Russ.
Die etwa 42.000 Russ (sprich: rüss) feiern in der Zeit vom 1. Mai bis zum Nationalfeiertag, dem 17. Mai, sich selbst und den hoffentlich bald folgenden Abschluss der Abi-Prüfungen, die kurioserweise erst nach den oft recht ausufernden Partys folgen.
Die Russ-Veranstaltungen lassen sich in Norwegen bis in das Jahr 1905, also dem Jahr der Unabhängigkeit des Landes, nachvollziehen. Russ ist dabei die Abkürzung des lateinischen Begriffes da cornua depositurus (sich die Hörner abstoßen).
Ein beliebtes Fortbewegungsmittel einiger (wohlhabender) Russ sind seit den 1950er Jahren große, teuer umgebaute Busse, mit denen auch zu diversen Veranstaltungen gefahren wird, z.B. zu den großen Treffen am Tryvann in Oslo und oberhalb von Lillehammer.
Abgesehen davon, dass Partys naturgemäß gerne mal etwas ausarten, was ja durchaus auch als eine normale Erfahrung einzustufen ist, erfuhren die Russ in den letzten Jahren besonders viel Kritik für ihre Mutproben. Derer gibt es 100 an der Zahl. Für jede bestandene erhält der Teilnehmer es einen Knoten in die Russ-Kordel. Da sich viele Knoten letzten Endes immer mehr um Sex und Alkohol drehten, wurden die Kordelregeln 2017 in vielen Regionen des Landes geändert. Statt Bier, darf es nun oft auch ein alkoholfreies Getränk sein, und Sicherheit wird beim Sex groß geschrieben, auch um Übergriffen einen Riegel vorzuschieben. Außerdem wird betont, dass viele Auszeichnungen auch über lustige oder wichtige Aktionen erreicht werden können. Zum Beispiel eine Impfung gegen Hepatitis, einer Rose für eine attraktive fremde Person, dem Kuss eines Beamten oder dem Besuch des staatlichen Alkoholladens auf Skiern.
Abiturienten, denen das alles trotzdem zu wild ist, finden bei den christlichen Russ eine Alternative. Auch startet die Hauptorganisation der Russ jedes Jahr eine große humanitäre Spendenaktion.
Verfasst von Martin Schmidt
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