Beitrag vom Freitag, 13. September 2019
Das Klippfischmuseum in Kristiansund
Norwegen ist ein sehr wohlhabendes Land. Das dies bei weitem nicht immer so war, erfährt man im äußerst informativen Klippfischmuseum in der westnorwegischen Stadt Kristiansund.
Das historische Gebäude am Wasser erreicht man entweder zu Fuß, indem man das Hafenbecken umrundet, oder mit dem ältesten noch in Betrieb befindlichen Verkehrsmittel der Welt, dem Sundboot (sundbåt).
Auf dem Weg zum Eingang fallen zwei Dinge auf. Zum einen die hoch aufgeschossenen Neubauklötze, die schon einen Hinweis darauf geben, dass man in den 1960er Jahren in Kristiansund vor allem für preiswerten Wohnraum sorgen musste, und, unterhalb dieser, blank gescheuerte, helle Felsen. Bei einer im Eintrittspreis inbegriffenen Führung durch das Museum erfährt man, dass diese ihre helle Farbe durch Salz erhielten, denn auf den Steinen trocknete noch vor wenigen Jahrzehnten der Klippfisch.
Im Gegensatz zum luftgetrockneten und ungesalzenen Trockenfisch, also dem tørrfisk, dessen Spuren in Norwegen bis in die Wikingerzeit zurückverfolgt werden können, ist der stark gesalzene Klippfisch eine relativ moderne Erfindung. Vermutlich waren es spanische Fischer, die um 1500 an der Neufundländischen Küste diese Art der Konservierung ersannen. Für den Raum Kristiansund hingegen ist belegt, dass in den 1690er Jahren der Holländer Jappe Ippes per königlichem Dekret die Klippfischproduktion aufnahm.
Das Museum ist im ältesten noch erhaltenen Handelshaus für Klippfisch untergebracht. Es liegt direkt am Hafen und trägt den Namen Milnbrygga, nach dem Händler Walter Miln, der das 1749 errichtete Gebäude 1772 erwarb. Es konnte viel ursprünglichen Charakter und Aussehen der Milnbrygga bewahrt werden. Man kann also das Leben der Klippfischhändler und Arbeiter perfekt nachvollziehen, anhand von originalen Einrichtungsgegenständen, Handelswaren und eindrucksvollen Fotografien.
Im Erdgeschoss sind zunächst die wahrlich klein und zerbrechlich scheinenden Boote zu sehen, mit denen die Fischer selbst bei Sturm auf den Atlantik hinausfuhren und gegen die Wellen, nicht selten vergebens, ankämpften. Für Hinterbliebene gab es den sogenannten dødeladen, eine Pensionskasse, in die der Fischer für seine Angehörigen einzahlte, falls er vom Meer nicht zurückkehren sollte. Im Fischerboot verbrachten die Seeleute meist mehrere Tage. Inmitten von Bergen von Fisch sitzend oder hockend musste geschlafen und gearbeitet werden.
Bilder im ersten Stock zeigen, wie Frauen und Kinder den im eiskalten Wasser gewaschenen und gesalzenen Fisch zum Trocknen auf den Klippen verteilen. Bei Regen musste dieser im Eiltempo gestapelt und mit einem Holzdeckel abgedeckt werden. Angesichts des wechselhaften Wetters wurden so pro Tag nicht selten einige Tonnen hin und her bewegt.
Angesichts der unglaublich anstrengenden Arbeit, die noch vor 40/50 Jahren für viele zum Alltag gehörte, wurde der einfache Kristiansunder nicht alt – und auch nicht reich. Der Lohn reichte häufig kaum zum Überleben. Für Großhändler und Kaufleute war es jedoch ein goldenes Zeitalter. Von nicht wenigen wird berichtet, sie seien reicher als der König gewesen.
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Verfasst von Martin Schmidt
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