Beitrag vom Sonntag, 10. Juli 2016
Auf den Spuren der Eiskristalle
Christian Schafmeister arbeitet als Journalist für die Mitteldeutsche Zeitung. Im Mai diesen Jahres hatte er die Gelegenheit Ny Ålesund auf Spitzbergen, eine der nördlichsten Siedlungen der Welt, zu besuchen. Bei dieser Reise ging es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schnee- und Permafrostverhältnisse der Region:
Ein kleines Interview zur „Mission Eis„:
Welche Erwartungen hattest du an diese Reise?
Ich hatte bereits Anfang des Jahres ein Stück über die Permafrost-Böden in der Arktis geschrieben. Dabei waren zwei Aspekte besonders spannend. Zum einen führt das fortschreitende Tauen der Permafrost-Böden dazu, dass in Regionen wie Sibirien Straßen, Pipelines und teils ganze Städte inzwischen auf wackligem Grund stehen. Zum anderen ist der Permafrost ein riesiger Kohlenstoff-Speicher. Das liegt daran, dass dort Unmengen an Tier- und Pflanzenresten eingeschlossen sind und wie in einer Tiefkühltruhe konserviert werden. Tauen die Böden auf, zersetzen Bakterien und Mikroorganismen die Tier- und Pflanzenreste und der Kohlenstoff wird frei, in Form der klimaschädigenden Treibhausgase Kohlendioxid und Methan. Und dabei geht es um riesige Mengen. Nach Schätzungen ist im Permafrost doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in der Atmosphäre vorhanden ist. Das hätte also große Auswirkungen auf die Erderwärmung. Als Journalist schaue ich mir die Dinge aber natürlich gerne selbst vor Ort an – und da war Spitzbergen ein super Ziel, zumal ich mit den Permafrost-Forschern des AWI schon im Vorfeld gut zusammengearbeitet habe.
Wurden die Erwartungen erfüllt?
Bei Fahrten in die Arktis muss man immer mit Unwägbarkeiten rechnen. Weil die Temperaturen Anfang Mai tagsüber schon mal knapp über null Grad lagen, fing es schon an zu tauen. Die Fahrt mit dem Schneemobil über nur noch dünn zugefrorene Wasserlaufe hin zu den Permafrost-Profilen war daher zu gefährlich. Stattdessen habe ich mit den AWI-Forschern Schneeprofile untersucht und erfahren, warum der Schnee an den Polen so wichtig für das globale Klima ist. Werden die Schneedecken dort dünner und verändert sich ihre Struktur, kann mehr Wärme in die Erde eindringen. Und damit funktioniert der Austausch zwischen den kalten Regionen an den Polen und den wärmeren Regionen im Süden nicht mehr. Das gesamte Klimasystem gerät damit ins Wanken.
Siehst du Schnee jetzt mit anderen Augen?
Ja, auf jeden Fall. Zwei Dinge habe ich gelernt. Schnee ist ein vielfach noch unterschätzter Faktor für das Klima. Und bei Schnee geht es um viel mehr als die Höhe der Schneedecke. Ganz entscheidet für die Frage, wie viel Wärme hindurchkommt, sind eben auch Faktoren wie die Form der Kristalle, die Luft zwischen den Kristallen, die Temperatur und die Dichte.
Was hat dich an Spitzbergen bzw. Ny Ålesund besonders beeindruckt?
Die Lage und die Kulisse. Was es bedeutet, knapp unterhalb des 79. Breitengrades zu sein, kann man am besten erahnen, wenn man sich einen Globus nimmt. Das Gefühl, in der nördlichsten Siedlung der Welt zu sein, lässt es einen die gesamte Zeit nicht los. Das gilt auch für die Kulisse. Das Dunkelblau des Fjordes und das Hellblau der Gletscher auf der anderen Seite des Fjordes haben sich ganz tief bei mir eingeprägt.
Wie war es für dich, mitten im Frühling plötzlich im arktischen Winter zu landen?
Das Wochenende, an dem ich Anfang Mai gestartet bin, war das erste richtig warme in Deutschland. Selbst bei meinem Stopp in Oslo habe ich abends bei mehr als 20 Grad auf der Hotel-Terrasse gesessen. Insofern war es natürlich eine Umstellung. Letztlich habe ich mich aber schnell daran gewöhnt, es war halt dort so kalt wie bei uns im Winter. Zudem habe ich sofort nach meiner Ankunft echte Polarkleidung bekommen, damit friert man nicht so schnell. Das für die Lage so hoch im Norden vergleichsweise milde Klima hat seine Ursache in warmen Atlantikströmungen, die bis nach Spitzbergen reichen.
Den ganzen Artikel zu dieser Reise findet ihr auf dieser Seite.
Verfasst von Martin Schmidt
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