Beitrag vom Freitag, 12. Juni 2020
Auf den Lofoten – Branntweinkrieg und Branntweintag
Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Genehmigung erteilt wurde, auf den Lofoten Gasthäuser zu etablieren, stieg der Verbrauch von Branntwein enorm an. Schon zuvor war es üblich, gegen die enormen Strapazen auf dem Meer sich den einen oder anderen dram (Schnaps) zu genehmigen. Nun jedoch gab es für viele Fischer kein Halten mehr und so mancher gab in den immer zahlreicher werdenden Gasthäusern den letzten Schilling seines ohnehin kärglichen Lohnes aus. Glaubt man den Schilderungen Johan Bojers, dann wurde bei Zahlungsunfähigkeit oder Rechenschwäche des Käufers auch Fisch in Zahlung genommen. Ganze Bootsladungen wechselten so den Besitzer.
Besonders dramatisch erwies sich die Lage in Stamsund, wo es am 24. März 1894 zum „Großen Branntweinkrieg“ (brennevinsslaget) kam. Berichtet wird von einem Anhänger des Laestadianismus, einer pietistischen Erweckungsbewegung der lutherischen Kirche, der den Aufstand probte und in Gefolgschaft anderer versuchte, den sündigen Umtrieben inklusive dem immer weiter um sich greifenden Schmuggel ein Ende zu bereiten. Die Verkaufsstellen für Branntwein wurden „gekapert“ und der Alkohol vernichtet. An der Aktion nahmen am Ende mehrere tausend Menschen teil.
Ein Jahr später, man wählte den 25. März, an dem traditionell der Lofotenfischfang seinen offiziellen Abschluss fand, wurde der Branntweinschlacht gedacht – paradoxerweise mit einem großen Alkoholgelage. Es wurde getanzt und gesungen und darauf geachtet, dass der skårunge, also jener junge Mann, der am Lofotenfischfang das erste Mal teilnahm, dem hansing nachkam. Der Begriff hansing leitet sich von den niederdeutschen Wörtern hensen und hanse ab und meint, dass dem Gefolge eine Abgabe gezahlt werden muss, sprich, der skarunge musste allen Mitstreitern im Boot einen Schnaps spendieren.
Trotz des Festes verfehlte der Brandweinkrieg seine Wirkung nicht. Der Handel mit Alkohol wurde stärker kontrolliert und der Schmuggel stark eingeschränkt. Im weitesten Sinne lassen sich die heute noch restriktiven Alkohlbestimmungen Norwegens auf den 24. März 1894 zurückführen.
Mit rund 1100 Einwohnern ist Stamsund die fünftgrößte Siedlung der Lofoten, dafür jedoch die am dichtesten besiedelte. Im Zentrum am Hafen besitzt der langgestreckte Ort sogar einen Anflug städtischen Charakters, wenngleich der Stadtstatus selbst bisher verwehrt blieb.
Dem 1614 erstmals in einem öffentlichen Dokument erwähnten Stamsund war zunächst eine eher langsame Entwicklung beschieden. Für 1733 erwähnen die Chroniken gerade einmal zwei Einwohner.
Entscheidend für die Entwicklung des Ortes war das Lofotengesetz aus dem Jahre 1857. Es räumte zunächst den Fischern deutlich größere Freiheiten ein und erlöste diese aus einer Art Leibeigenschaft gegenüber den Arbeitgebern. Mit dem Fall der Handelsprivilegien der west- und mittelnorwegischen Städte Bergen und Trondheim anno 1866, konnte der freie, ungehinderte Warenaustausch auf den Lofoten Fahrt aufnehmen. Dies wiederum machte sich Carl Magnus Johansen, ein findiger Schuhmacher aus Namdalen zu Nutze. Für die durchaus nicht geringe Summe von 12 Spesidaler und 24 Schilling erwarb er einen Handelsbrief und begann zielstrebig eine eigene Fischereifirma aufzubauen. Diese entwickelte vor Ort so viel Macht und Einfluss, dass sein Nachfahre J.M. Johansen, kurz J.M. genannt, den Beinamen „Zar von Stamsund“ trug. Milde und hilfsbereit konnte dieser wohl sein, solange er auf billige Arbeitskraft zurückgreifen konnte. Über die Jahre wuchsen die Abhängigkeiten. Fisch durfte nur an J.M. verkauft werden, zu einem zuvor festgelegten, unverhandelbaren Preis. Zeichen seines Reichtums war und ist ein 1934 erbautes Steinhaus, das seinerzeit schönste und größte der Lofoten. Es ist im J.M. Johansens vei 11 zu finden. Durch Mitgliedschaften im Vorsitz der Reederei Vesteraalens Dampskibsselskab konnten die Johansens auch durchsetzen, dass Stamsund von der Postschifflinie der Hurtigruten angelaufen wurde, was ein nicht zu unterschätzender öknomisch-strategischer Vorteil gegenüber anderen Fischerorten darstellte.
Verfasst von Martin Schmidt
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